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Rede des Botschafters Karsten Warnecke zum Tag der Deutschen Einheit 2025

Botschafter Karsten Warnecke bei seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2025

Botschafter Karsten Warnecke bei seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2025 © Deutsche Botschaft Managua

06.10.2025 - Artikel

Ihre Exzellenz, Herr Außenminister, Herr Valdrack Jaentschke,
sehr geehrte Mitglieder der diplomatischen Gemeinschaft,
liebe deutsche Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Freunde Deutschlands,
sehr geehrte Damen und Herren,

heute feiern wir den 35. Tag der Deutschen Einheit! Der deutsche Nationalfeiertag feiert die Tatsache, dass die beiden Deutschlands seit dem 03. Oktober 1990 wieder vereint sind.
Aus diesem Anlass erinnern die deutschen Botschaften und Generalkonsulate auf der ganzen Welt heute an die Ereignisse vor 35 Jahren, die zu diesem historischen Moment führten: die friedliche Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).
Diese außergewöhnlichen Ereignisse und ihr historischer Kontext werden in einer kleinen Ausstellung im Nebenraum veranschaulicht, zu deren Besuch ich Sie herzlich einlade. Die dargestellten historischen Ereignisse haben auch heute noch eine große Bedeutung für uns Deutsche und für uns Europäerinnen und Europäer.
Vor 35 Jahren, am 3. Oktober 1990, feierten wir zum ersten Mal die Wiedervereinigung Deutschlands mit großer Freude und ebenso großer Ungläubigkeit. Nach 40 Jahren der Existenz zweier deutscher Staaten und nach 30 Jahren, in denen uns die Mauer scharf trennte, war dies der letzte Schritt in einer langen Kette unwahrscheinlicher Ereignisse, die letztendlich damals zur Wiedervereinigung führten.
Ich selbst bin ein „Relikt“ des geteilten Deutschlands. Ich bin ein „waschechter“ West-Berliner, der in einem geteilten Deutschland umrundet von und im Schatten der Berliner Mauer aufgewachsen ist. Ich gehörte auch im Frühjahr 1990 zur letzten Gruppe von deutschen Diplomatinnen und Diplomaten, die ausschließlich aus Westdeutschland rekrutiert wurden.
Junge Deutsche, Millennials und die Generation Z, wie meine eigenen Kinder, haben keine Erinnerung an die Mauer oder an ein geteiltes Deutschland. Sie kennen die Mauer eher als Touristenattraktion in Berlin als wegen ihrer zentralen Rolle in der Geopolitik des Kalten Krieges.
Um zu verdeutlichen, wie der Mauerfall Ergebnis des gemeinsamen Wirkens der Deutschen beiderseits der Grenze war, haben wir heute die Installation „Verschwindende Wand“ mitgebracht.
Wie der Name schon sagt, ist Sinn und Zweck dieser interaktiven Installation gemeinsam mit Ihnen allen heute das Sinnbild der Mauer „verschwinden“ zu lassen, in dem wir die einzelnen Mauersteine mitnehmen. Ich möchte Sie alle einladen, im Laufe des Abends die Mauer am Eingang zu betrachten, die Zitate auf den „Mauersteinen“ zu lesen und ein oder zwei Zitatsteine, die besonders zu Ihnen sprechen, mit nach Hause zu nehmen.
Als Botschafter hier in Nicaragua sehe und schätze ich die Geschichte der engen nicaraguanischen Beziehungen, die zu der DDR bestanden. Ich bin angenehm überrascht, Nicaraguaner zu treffen, die aufgrund ihrer Ausbildung in Ostdeutschland fließend Deutsch sprechen.
Der deutsche Fokus auf Bildung bleibt bestehen, und eine der stärksten und langlebigsten deutschen Institutionen in Nicaragua ist die Deutsche Schule hier in Managua. Sie bietet eine allseits geschätzte hohe Bildungsqualität vom Kindergarten bis zur Oberstufe. Die Deutsche Schule ist auch die Heimat wichtiger deutscher Traditionen wie zum Beispiel des Oktoberfestes, das am 11. Oktober gefeiert wird, und natürlich des sehr beliebten Weihnachtsmarktes am 28. November. Außerdem bietet die Deutsch-Nicaraguanische Kulturinitiative (ICAN) am Wochenende Deutschunterricht an der Deutschen Schule an.
Während Deutschland vor den Herausforderungen und Chancen der Zukunft steht, sind wir einzigartig von unserer Geschichte geprägt.
Denn der Tag der Deutschen Einheit ist unter den Nationalfeiertagen der Welt ungewöhnlich.
Er ist kein Fest der Unabhängigkeit oder des Geburtstags eines Monarchen. Er ist ein Fest der Widerstandsfähigkeit des deutschen Volkes und seiner Entschlossenheit, seine Zukunft gemeinsam zu gestalten.
Anfang dieses Jahres hat die letzte Bundestagswahl eine neue Koalitionsregierung hervorgebracht. Dass Deutschland weiterhin in der Lage ist, unsere demokratischen Prinzipien aufrechtzuerhalten und einen friedlichen Machtwechsel zu vollziehen, ist nichts, was wir als selbstverständlich ansehen sollten.
Ich war kürzlich in Berlin und hatte die Gelegenheit, sowohl unseren neuen Bundeskanzler Friedrich Merz als auch unseren neuen Außenminister Johann Wadephul zu treffen, und ich bin von ihrer außenpolitischen Vision für die Zukunft Deutschlands sehr angetan:
- Deutschland setzt sich weiterhin für ein freies Europa ein,
- Deutschland und Europa stehen weiterhin der Ukraine bei in ihrer Abwehr des Angriffskrieges,
- Deutschland und Europa treten im Nahen Osten für die Zwei-Staatenlösung ein und
- Deutschland bewirbt sich für einen nicht-permanenten Sitz im VN-Sicherheitsrat in 2027, um im multilateralen Rahmen größere Verantwortung zu übernehmen.
Ich möchte mich nun kurz auf Deutsch an meine deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger wenden.
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Anlässlich des 35. Jahrestags der deutschen Wiedervereinigung werde ich an die Grundwerte erinnert, die in unserer Verfassung verankert sind: Freiheit und Demokratie, die Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit leiten unser Land auch in diesen schwierigen Zeiten weiterhin.
Unsere Verfassung wurde mit großer Hoffnung auf eine bessere Zukunft geschrieben. Wenn uns unsere jüngste Geschichte nichts anderes lehrt, dann doch zumindest, dass wir ein widerstandsfähiges Volk sind und dass wir diese Werte überall auf der Welt mit uns tragen und uns denen besonders verbunden fühlen, die ebenfalls diese Werte im Herzen führen.
Wir in der Botschaft setzen uns weiterhin für unsere deutschen Staatsangehörigen hier ein, in der Hoffnung auf eine gute gemeinsame Zukunft.
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Ich berichtete vor einem Jahr wie ich den Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 persönlich erlebte. Am 18. März 1990 war ich unmittelbarer Zeuge der ersten freien Volkskammerwahl in der DDR, die mit einem deutlichen Sieg des Wahlbündnisses „Allianz für Deutschland“, die einen raschen Wiedervereinigungsprozess vorantrieb und den weiteren rasanten politischen Weg festlegte.
Deutschland wurde innerhalb eines Jahres wiedervereinigt und damit das einzige moderne Beispiel für eine geteilte Nation, die erfolgreich unter einer Flagge, einer Verfassung und einer Regierung zu einem Land vereint wurde.
Damit lade ich Sie alle ein, Ihre Gläser zu erheben. Auch an diesem Tag der Deutschen Einheit stoße ich auf „Einigkeit und Recht und Freiheit“ an, die Anfangsworte unserer Nationalhymne und Deutschlands inoffizielles Motto. Bitte stoßen Sie mit mir an auf das deutsche Volk, auf das nicaraguanische Volk und auf die Freundschaft, die sie beide verbindet.
Es lebe Deutschland! Es lebe Nicaragua!

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